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Wirkung Smartphone

Was macht das Smartphone mit dem Kind?

Mutter füttert ihren Säugling, während sie auf ihr Smartphone schaut.

Mutter mit Säugling und Smartphone

Wir sehen sie auf dem Spielplatz, in der Innenstadt oder im Bus. Eltern, die auf Smartphones starren. Aber was macht es mit Kindern, wenn sich Eltern öfter mit ihrem Smartphone beschäftigen?

„Kinder können unter Schlafproblemen leiden und auch Fütterstörungen entwickeln, wenn sie zu wenig Aufmerksamkeit der Bindungspersonen bekommen“, schildert Diplom-Psychologin Barbara Evangelou. Ein Grund, warum Kinder zu wenig Aufmerksamkeit erhalten, ist das Smartphone. Im Interview mit Redakteurin Charlotte Mattes spricht die Leiterin der Familien-, Erziehungs- und Jugendberatung vom Evangelischen Zentrum für Beratung und Therapie am Weißen Stein in Frankfurt über die Wirkung von Smartphones auf kleine Kinder. 

Was passiert mit Kindern, die zum Beispiel auf dem Spielplatz herumlaufen und jedes Mal, wenn sie zu Mutter auf die Bank schauen, guckt sie auf ihr Smartphone?

Barbara Evangelou: Es kann sie sehr irritieren, wenn der Blickkontakt zu den Eltern abreißt. Kinder brauchen Spiegelung, also zum Beispiel Bestätigung, wenn sie etwas ganz toll machen. Eine klassische Situation auf dem Spielplatz: Kinder lernen gerade laufen, sie entfernen sich und drehen sich dann um, gucken und wollen wissen, ob sie weiterlaufen können oder es gefährlich wird. Wenn die Mutter dann nur das Smartphone anschaut, ist das eine sehr irritierende Erfahrung. Gerade in solchen Situationen sind Kinder sehr stark darauf angewiesen, dass die Eltern sie im Blick haben. Besonders kleine Kinder und Babies benötigen einen stabilen Kontakt, der verbindlich zur Verfügung steht. Außerdem ist es für die seelische und intellektuelle Entwicklung sehr wichtig - zum Beispiel auch für den Schulerfolg - dass Kinder in den ersten Jahren stabile Bindungserfahrungen mit den Eltern machen. 

Was sind denn Reaktionen von Kindern, wenn das Smartphone mehr Aufmerksamkeit bekommt, als sie selbst?

Barbara Evangelou: Wir wissen, dass Säuglinge von Anfang an kommunikative Wesen sind. Sie kommunizieren über Blick- und Augenkontakt. Je kleiner die Kinder sind, desto mehr sind sie darauf angewiesen, dass die Bindungsperson für sie zur Verfügung steht. Beim Stillen haben Mutter und Kind zum Beispiel einen ganz engen Blickkontakt, das heißt, da passiert ganz viel zwischen Mutter und Baby, was die Bindung angeht. Es geht hierbei um Stabilität, emotionalen Austausch, Sicherheit. Wenn man in dieser Zeit das Smartphone nutzt, fühlt sich das Baby alleine. Es gibt ein Experiment, das schon vierzig Jahre alt ist, das „Frozen Face Experiment“. Es zeigt, wie Kinder reagieren, wenn die Gesichtszüge der Eltern wie eingefroren sind, es also keine Rückmeldung gibt. Babies haben darauf extrem reagiert. Sie haben versucht die Mutter anzufassen, mit den Armen gerudert oder angefangen zu weinen. Beim Smartphone ist es so: Die Mutter guckt nicht auf das Kind, die Situationen hat nichts mit ihm zu tun. Zum Beispiel lacht die Mutter, obwohl es für das Kind gar nichts Lustiges zu sehen gibt und es selbst auch nichts Lustiges gemacht hat. Oder sie spricht in einer wütenden Stimme, die es ängstigt. Kleine Kinder können häufig nicht entscheiden, ob Situationen etwas mit ihnen zu tun haben oder nicht. Sie beziehen das Meiste auf sich. Also denken sie, wenn die Mutter plötzlich laut wird, dass es etwas mit ihnen zu tun hat und das ist hochgradig verstörend. 

Inwiefern prägt es denn Kinder, wenn sie von klein auf lernen, dass das Smartphone eine wichtige Rolle im Leben der Eltern spielt?

Barbara Evangelou: Eltern sind in der Mediennutzung Vorbilder für ihre Kinder. Wenn klar ist, dass das Smartphone etwas ganz wichtiges und spannendes ist, möchten Kinder das auch zur Beschäftigung haben. Es gibt Rückmeldungen aus Kitas, dass Eltern mit Kinderwagen und Smartphone am Ohr in die Kita kommen und nur kurz ihr Kind abgeben. Dadurch gibt es keine Möglichkeit mit den Eltern zu sprechen. Diese wichtigen Tür- und Angelgespräche fallen so weg, weil die Eltern sehr beschäftigt sind. Manche Kitas hängen schon Handyverbotsschilder an die Tür. Vor drei Jahren hat das Frankfurter Jugend- und Sozialamtes Plakate zum Thema aufgehängt mit dem Satz: „Sprechen Sie lieber mit Ihrem Kind.“
Auch in Kinderarztpraxen wird beobachtet, dass Kindern das Smartphone zur Wartezeitüberbrückung gegeben wird. Daran ist schwierig, dass Kinder so verlernen sich selbst zu regulieren.  

Warum wäre ein Bilderbuch zur Ablenkung besser als das Smartphone?

Barbara Evangelou: Die Reizüberflutung durch ein Smartphone ist viel heftiger als durch ein Buch. Vor allem, weil man das Buch ja gemeinsam anguckt und darüber spricht. Beim Smartphone erfolgt das kommunikationslos, das Kind guckt gebannt drauf, ist aber einer deutlichen Reizüberflutung ausgesetzt. Hier fehlt die Unterstützung das zu verarbeiten und das funktioniert bei Kindern durch Kommunikation. Es geht nicht darum, das Smartphone zu verteufeln. Sondern feinfühlig damit umzugehen und smartphonefreie Zeiten und Zonen einzuführen. Zum Beispiel: Beim gemeinsamen Essen ist das Smartphone tabu oder abends gibt es eine Zeit, das Smartphone aus dem Kinderzimmer raus muss. Generell gilt: Kinder im Kindergartenalter sollten nicht alleine mit dem Smartphone gelassen werden, sondern immer in Begleitung der Eltern.


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