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Islam

Islam-Experte: Seehofers Debatte ist überflüssig und gefährlich

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Die Nuur-ud-Din-Moschee in Darmstadt

„Die von Horst Seehofer erneut angestoßene Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehört, ist überflüssig.” Das sagt Pfarrer Dr. Andreas Herrmann, Referent für den interreligiösen Dialog im Zentrum Ökumene. Der Innenminister hatte kurz nach Amtsantritt in einem Interview mit der „Bild”-Zeitung gesagt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland.

Innenminister Horst Seehofer sagte zwar, dass die hier lebenden Muslime „selbstverständlich zu Deutschland gehören”, man aber nicht aus falscher Rücksichtnahme kirchliche Feiertage und christliche Rituale aufgeben dürfe.

Islam-Experte Dr. Andreas Herrmann vom Zentrum Oekumene der EKKW und EKHN kann diese Befürchtung keinesfalls teilen: „Von einem freiwilligen Rückzug der christlichen Religion von christlichen Traditionen wie etwa Feiertagen kann keine Rede sein. Ganz im Gegenteil: Die Kirchen pflegen den christlichen Glauben nicht nur im Gemeindekontext, sondern auch in einer breiteren Öffentlichkeit. Die Sichtbarkeit gehört zur Religionsfreiheit.”

Religionsfreiheit gilt für alle Religionen

Herrmann weist darauf hin, dass die Religionsfreiheit nicht einseitig ausgelegt werden kann: „Wie die Kirchen selbstverständlich die Religionsfreiheit für sich in Anspruch nehmen, so werden sie diese auch anderen Religionen nicht absprechen können und wollen, sondern auch hinsichtlich anderer Religionen für ihre Durchsetzung plädieren.”

Seehofers Äußerung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, gerät nach Ansicht von Herrmann in den Verdacht, „die Religionsfreiheit in Deutschland einschränken zu wollen”.

Muslime und Islam sind nicht zu trennen

Seehofers Unterscheidung, Muslime gehörten zu Deutschland, nicht aber der Islam, kann Herrmann nicht nachvollziehen: „Wenn nur Muslime – nicht aber der Islam – zu Deutschland  gehören, was ist dann mit Moscheen? Sollen Muslime in Deutschland keinen Ort haben, an dem sie ihren Glauben leben und feiern können? Das Abstreiten der Realität, dass der Islam  zu Deutschland gehöre, hat die fatale Folge, dass die mit dem Zusammenleben von unterschiedlichen Religionen in einer Gesellschaft sich ergebenden Herausforderungen nicht angepackt, sondern verdrängt werden."

Seehofers Aussage gefährlich 

Die Aussage des neuen Innenministers ist für Herrmann nicht nur nicht nachvollziehbar und schleierhaft, sondern „auch gefährlich. Gut, dass ihm schon viele Politiker widersprochen haben”.

Hintergrund Dialog mit dem Islam

Der Dialog zwischen den evangelischen Kirchen in Hessen und den Islamverbänden hat über viele Jahre im sogenannten „Tag des Dialogs“ seine feste institutionelle Verankerung. Die Landesverbände des  Verbandes der Islamischen Kulturzentren e.V. (VIKZ), der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) und der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen (IRH) haben sich mit dem Bischof der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck (EKKW) und dem Kirchenpräsidenten der EKHN einmal im Jahr zum Austausch getroffen. In dieser Form fand der Tag des Dialogs im Jahre 2013 zum letzten Mal statt.

Dieses Konzept hatte aus unterschiedlichen Gründen keine Zukunft. Während aus der kirchlichen Perspektive die Beziehungen zur DITIB deutlich zurückgegangen sind, gibt es aktuell intensivere Kontakte zum hessischen Landesverband des Zentralrates der Muslime in Deutschland (ZMD). Auch mit Milli Görüs werden seit kurzem Gespräche geführt.  Die evangelischen Kirchen zeigen auf unterschiedlichen Ebenen und an verschiedenen Orten weiter großes Interesse am Dialog mit den Verbänden. Gleichwohl ist das Bewusstsein dafür gestiegen, dass die muslimischen Verbände nur einen Teil der muslimischen Bevölkerung in Deutschland abbilden. So gibt es u. a. eine verstärkte Kooperation mit dem Zentrum für Islamische Studien (ZEFIS) an der Universität Frankfurt am Main. Im November fand eine gemeinsame Interreligiöse Fachtagung zum Thema „Muslimische Wohlfahrtspflege“ statt. Ende März läuft das einjährige Praktikum einer muslimischen Praktikantin am Zentrum Oekumene aus.

Dr. Andreas Herrmann, Zentrum Oekumene 


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